Mainzer Rhein-Zeitung vom 19.10.2006 von Jamina Krammer
Rund um die Geburt betreut aus einer einzigen Hebammenhand
MRZ-Serie: Als Beleghebamme im St.-Hildegardis-Krankenhaus begleitet
die Mainzerin Ilona Kuzio werdende Mütter durch die gesamte
Schwangerschaft
MAINZ. Sie muss 24 Stunden, Tag und Nacht, erreichbar sein und
dann bereit, sich sofort auf den Weg zu machen, um bei einem der
wichtigsten Ereignisse im Leben einer jeden Frau dabei zu sein:
der Geburt eines Kindes. Ilona Kuzio ist Beleghebamme im St.-Hildegardis-Krankenhaus
und hilft jedes Jahr etwa 100 Babys dabei, auf die Welt zu kommen.
Ein
sehr einnehmender, aber für Ilona Kuzio auch wunderschöner
Beruf. Die gebürtige Polin absolvierte ihre Ausbildung zur
Hebamme in Polen. Nach einem Anerkennungsjahr in Idar-Oberstein
machte sie eine Prüfung in Koblenz und darf seither in der
Geburtshilfe in Deutschland arbeiten. Fünf Jahre lang war
sie als angestellte Hebamme im St.-Hildegardis-Krankenhaus beschäftigt,
seit Anfang 2003 ist die 32-Jährige dort selbstständige
Beleghebamme. Ilona Kuzio begleitet die schwangeren Frauen durch
die gesamte Schwangerschaft.
"Ich habe ein offenes Ohr für die vielen Fragen,
die auf die werdenden Eltern einstürzen", sagt die
32-Jährige. Etwa sechs Wochen vor dem Geburtstermin trifft
sich die Hebamme jede Woche mit den Eltern. Fangen die ersten
Wehen an, ist Ilona Kuzio sofort zur Stelle. "Ich gehe
mit den Eltern ins Krankenhaus, und bin dann die ganze Zeit ausschließlich
für meine Mütter und Väter da", erläutert
sie. Einen Schichtwechsel nach acht Stunden Geburt gibt es nicht.
"Die während der Schwangerschaft entstandene Vertrautheit
zwischen den Eltern und mir gibt Sicherheit und mindert die Ängste
während der Geburt", weiß die Hebamme. Auch
nach der Geburt steht Ilona Kuzio den Eltern in der Nachsorge
mit Rat und Tat zur Seite und besucht die Familien zu Hause.
Für eine bestimmte Zeit ist Ilona Kuzio ein Mitglied der
Familie. Ihr ist durchaus bewusst, was für eine wichtige
Rolle sie im Leben der werdenden Eltern spielt. Aus vielen ihrer
früheren "Kundinnen" sind im Laufe der Zeit Freundinnen
geworden, mit denen sich die Hebamme gerne trifft und auch ganz
privat etwas unternimmt. "Noch Jahre später rufen
mich Frauen an, um einen Rat zu bekommen", erzählt
sie. Aber auch sie erhält Hilfe zurück: Als ihr Auto
jüngst in Reparatur war, hat die Familie einer früheren
Patientin ihr ihres ausgeliehen. Ein anderer Vater hat ihr geholfen,
ihre Homepage zu erstellen. Die Entbindung und das Erleben der
glücklichen Eltern bezeichnet Kuzio als das Schönste
im Beruf einer Hebamme. Es sei wichtig, dass Frauen wieder mehr
Vertrauen in ihren eigenen Körper fassten, sagt die Hebamme.
Um dies zu erleichtern, gibt Ilona Kuzio Vorbereitungskurse und
Infoabende für Schwangere im St.-Hildegardis-Krankenhaus.
Denn eine Geburt sei vor allem auch eine Kopfsache und werde zu
oft nicht mehr genossen.
Eigene Kinder will die 32-Jährige später selbst gerne
haben. Angst davor, deutsch zu sprechen und Vertrauen zu den Menschen
hierzulande zu fassen, hatte die Hebamme nicht, als sie 1997 nach
Deutschland kam. Sie sei immer mit sehr viel Gefühl bei ihrer
Arbeit, sagt Kuzio. Klar, dass es da nicht immer leicht ist, nach
der Arbeit abzuschalten. Unschöne Momente wie Notsituationen
gebe es jedoch nur sehr selten. Dafür werden Mutter und Kind
im Laufe der Schwangerschaft zu gut kontrolliert und beobachtet.
"Ich bin kein Mensch, der schnell aufgibt",
da ist sich die Hebamme sicher. Eine Eigenschaft, die gerade während
einer Geburt wichtig ist: "Denn manche Babys können
sich sehr viel Zeit lassen", bemerkt Kuzio lächelnd.
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